Trauer braucht Raum – Architektur in der Bestattungsbranche

Jürgen Hlady: Aus alt mach neu – Worauf man bei der Planung eines Besprechungsraumes achten muss. Vortrag am 20.09.2012 vor dem Kuratorium Deutsche Bestattungskultur e.V. in Berlin.

„Trauer braucht Raum“ – schon das Motto zeigt: Beim Thema Bestattung sind Innenarchitekt*innen weit mehr als sonst gefordert, zutiefst emotionale Aspekte in die Arbeit einfließen zu lassen.

Die Aufgabe, einen Besprechungsraum für ein Bestattungsunternehmen zu planen, ist von großen Herausforderungen begleitet. Es betrifft die sensibelste Phase im Leben eines Menschen. Jene Sphäre, in der Leben und Tod sich begegnen, geprägt vom Schmerz des Abschieds und von der Hoffnung auf Neubeginn. Eine Sphäre, in der es gilt, den Verstorbenen Respekt zu zollen und den Hinterbliebenen Trost zu spenden. Würdevoll, ohne leere Phrasen, mitfühlend und aufrichtig.

Beide, Bestatter*innen wie Innenarchitekt*innen, haben eine Verantwortung, die weit über die einer schlichten Dienstleistung hinaus geht. Es gilt die zerbrechliche Balance von Kompetenz, Sachlichkeit und fachlicher Beratung auf der einen Seite und die Vermittlung von Geborgenheit, Zuwendung und Zuversicht auf der anderen zu wahren. Ohne dabei die wirtschaftlichen Notwendigkeiten eines erfolgreichen Unternehmens aus dem Blick zu verlieren.

Der Beratung Raum geben:

Der erste Eindruck ist entscheidend für das Vertrauen der Kund*innen. Deshalb spielt die Gestaltung des Beratungszimmers eine zentrale Rolle für den Erfolg. In diesen vier Wänden wird das Wesen des Unternehmens spürbar. Sie sollen auf den ersten Blick die Sicherheit vermitteln: hier finde ich Anteilnahme, Verständnis und Antwort auf meine Fragen, seien sie spiritueller, organisatorischer oder finanzieller Natur. Seriös, diskret und zeitgemäß.

Für den innenarchitektonischen Entwurf ist daher ein schlüssiges Gesamtkonzept unabdingbar. Unabhängig von bestimmten Stilrichtungen und aktuellen Modeerscheinungen spiegelt es die Philosophie des Unternehmens, gegebenenfalls unter Einbeziehung des kulturellen Umfelds (städtisch oder ländlich). Gestaltung und Materialauswahl tragen ökologischen und baubiologischen Aspekten Rechnung, fördern die Harmonie und werden letztlich zum inspirierenden Faktor im Gespräch mit den Hinterbliebenen.

Konkret bedeutet dies:

  • Sanfte Pastelltöne beherrschen die Farbgebung, warmes Licht vermittelt Sicherheit und Geborgenheit
  • Eine ruhige Umgebung und klare Strukturen fördern die Konzentration auf das Wesentliche
  • Die Ausstattung strahlt gediegene Seriosität aus, ohne bieder oder nüchtern zu wirken. Handwerkliche Maßanfertigungen garantieren unaufdringliche Individualität. Sitzgelegenheiten sind ergonomisch bequem, ohne ins Lapidare abzudriften (nicht unwichtig ist die genaue Platzierung der Stühle, die der erwähnten Wunschdistanz zu den Kund*innen Rechnung trägt, ohne die starke Versachlichung einer direkten Gegenüberstellung zu erreichen).
  • Das Informationsmaterial trägt modernen Anforderungen Rechnung: interaktive Computerpräsentationen, die Kund*innen kreativ an der Gestaltung mitarbeiten lassen, ergänzen oder ersetzen die bisherigen Printmedien; Videoaufzeichnungen, musikalische Demobänder erweitern das Produktportfolio. Der Tisch des Beratungszimmers sollte versteckt die nötigen Installationen enthalten (idealerweise ist kabellose LAN-Technologien einzusetzen).
  • Ein besonderes Augenmerk gilt der „sinnlichen“ Wirkung im Detail:
    • Optisch: das ausgeklügelte Spiel von Licht und Schatten setzt Pflanzen oder Ziergegenstände gezielt in Szene; die emotionale Wunschdistanz im Verhältnis zu den Kund*innen (deren Maß richtig zu erspüren eine der wesentlichen Fähigkeiten des Bestatters ist) wird unterstrichen.
    • Akustisch: das Material der Oberflächen schluckt störenden Hall, unsichtbare Soundanlagen ermöglichen die Vorführung von Demobändern oder dezenter Hintergrundmusik. Umgekehrt sind hier Störfaktoren wie ein klingelndes Telefon oder Geräusche aus Verkaufsräumen auszuschalten.
    • Olfaktorisch: ob neutral „frische Luft“ oder aromatische Düfte: was die Nase wahrnimmt, wirkt sich neuesten Erkenntnissen zufolge ohne Umwege auf unsere Gefühle aus; diesem Aspekt ist deshalb besonderes Augenmerk zu widmen.
    • Haptisch: sanfte Oberflächen schmeicheln den Händen der Kund*innen, etwa beim Berühren der Informationsbroschüre aus weichem Kalbsleder oder der Armlehne.
    • Bei alledem ist Zurückhaltung ein zentrales Credo. Der Einsatz stilisierender Elemente – Muster auf Wänden und Böden, glanzlackierte oder unbehandelte Oberflächen, eine geschwungene Ausstattung oder kantige Gradlinigkeit – ist im Einklang mit der Corporate Identity gewissenhaft zu prüfen. Ist dies gelungen, dann verschmelzen Material, Farbe und Licht als integrative Elemente zu einer atmosphärischen Gesamtinszenierung, die die Besucher*innen überzeugt.

Jürgen Hlady, Innenarchitekt BDIA

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